COPD: Neuer GOLD-Standard betont die individualisierte Therapie (2024)

COPD: Neuer GOLD-Standard betont die individualisierte Therapie (1)COPD: Neuer GOLD-Standard betont die individualisierte Therapie (2)

Algorithmen fassen zusammen, wann bei einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung eskaliert oder deeskaliert werden sollte. Resultat ist ein praxisorientierter Therapiekonsens für Patienten unterschiedlicher Stadien und/oder Vorbehandlung für die Primärversorgung.

COPD: Neuer GOLD-Standard betont die individualisierte Therapie (3)

Künstlerische Darstellung der Bronchien bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung. Foto: Science Photo Library John Bavosi

Zur Diagnose und Therapie der COPD sind von der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD 2019) und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP 2018) neue und praxisrelevante Empfehlungen verfügbar (1, 2). Wesentliche Aspekte betreffen die Notwendigkeit, den COPD-Schweregrad stärker als bisher am individuellen Beschwerdebild zu orientieren. Zudem zeigen sich immer deutlicher Parameter, die für den gezielten Einsatz von inhalativen Kortikosteroiden (ICS) bei COPD herangezogen werden können. Die vorliegende Publikation gibt Empfehlungen, wie diese Vorgaben umgesetzt werden können. Sie wurde als Konsens für die Hausarztpraxis verfasst, kann jedoch gleichzeitig Orientierung für Pneumologen bieten. Es werden praxisbezogene Algorithmen vorgeschlagen für die

  • Differenzialdiagnose von COPD und Bronchialasthma (Mustererkennung, Empfehlungen zur Facharztkooperation) sowie das
  • Therapiemanagement bei Patienten mit COPD.

Hier werden insbesondere geeignete Schritte zur Eskalation beziehungsweise Deeskalation einer medikamentösen Therapie vorgeschlagen. Zudem wird auf die in diesem Kontext zunehmende Bedeutung der Bestimmung eosinophiler Granulozyten als Biomarker für den Einsatz von ICS verwiesen. Abschließend werden Empfehlungen zu der fast immer erforderlichen – prognostisch höchst relevanten – Steigerung der körperlichen Aktivität formuliert.

Differenzialdiagnose COPD und Asthma

Die Grundlage jeder therapeutischen Intervention bei COPD ist der differenzialdiagnostische Ausschluss eines Bronchialasthmas. Hier stellt die Unterscheidung nach Asthma- beziehungsweise COPD-Muster, unter anderem auf der Basis anamnestischer Angaben, ein in der Praxis bewährtes Vorgehen dar. Ein Asthma-Muster ist beispielsweise anzunehmen, wenn Symptome bereits in der Jugend oder Kindheit bestanden, Atemnot anfallartig auftritt und eine allergische Komponente vorliegt. Für ein COPD-Muster sprechen ein aktueller oder früherer Raucherstatus, das Auftreten der Beschwerden erst im höheren Alter sowie eine kontinuierliche Symptomatik (2).

COPD, Lungenfunktionstests und Facharztkooperation

Bei Patienten mit anamnestischen Hinweisen auf ein COPD-Muster besteht mitunter Unsicherheit, welche Verfahren zur diagnostischen Absicherung und gegebenenfalls Einleitung einer Behandlung eingesetzt werden sollen. Für die Allgemeinarztpraxis kommt am ehesten die Spirometrie als Basisdiagnostik infrage. Diese ermöglicht es, die nicht vollständig reversible Obstruktion nachzuweisen und das Ausmaß der Atemflusseinschränkung zu erfassen. Die Bildgebung wird in der Zukunft vermutlich eine große Rolle spielen. Gegenwärtig ist aber eine Thorax-CT für die Diagnose einer COPD nicht erforderlich. Auch ein konventionelles Röntgenbild ist für die Diagnosestellung in vielen Fällen primär entbehrlich. Gleichwohl kann dieses (bei Darstellung in 2 Ebenen) aus den verschiedensten Gründen hilfreich sein. So kann etwa bei Patienten mit einem spirometrisch ermittelten restriktiven Muster mitunter besser zwischen einer Pseudorestriktion im Rahmen einer Überblähung und einer linksventrikulären Insuffizienz mit Stauung differenziert werden. Bei älteren Patienten mit Verdacht auf COPD kann häufig auf die Erstellung eines Röntgenbildes verzichtet werden, wenn bereits diagnostisch verwertbares Bildmaterial vorliegt.

Eine hochauflösende Thorax-CT ist bei Patienten mit eindeutiger Funktionseinschränkung und ungenügendem Therapieansprechen ratsam. Ebenso bei Patienten mit häufigen Exazerbationen, um Bronchiektasen auszuschließen, und mit Verdacht auf eine möglicherweise zusätzlich bestehende interstitielle Lungenkrankheit. Da an die Durchführung der CT im Einzelfall definierte Anforderungen gestellt werden müssen, kann es sinnvoll sein, einen Pneumologen einzubeziehen.

Unabhängig davon, ob eine Spirometrie beim Haus- oder Facharzt erfolgt, erachten wir es als wichtig, jeden Patienten mit COPD im Verlauf seiner Erkrankung mindestens einmal beim Pneumologen vorzustellen. Besteht aufgrund der speziellen regionalen Versorgungssituation hierzu nicht die Möglichkeit, sollte zumindest bei den folgenden Patienten eine vorrangige Überweisung erfolgen. Dies sind Patienten,

  • die auf eine Standardtherapie (Asthma-Muster: LABA/ICS, COPD-Muster: LAMA oder LAMA/LABA) nicht ansprechen beziehungsweise bei denen sich die Symptomatik nicht bessert,
  • mit häufigen Exazerbationen,
  • die aufgrund einer Exazerbation in stationärer Behandlung waren.

Kardiale Morbiditäten sind im Kontext einer COPD als Differenzialdiagnosen sowie als (häufige) Begleiterkrankungen zu berücksichtigen. Da Dyspnoe viele Ursachen haben kann und keineswegs immer kardial bedingt sein muss, ist es sinnvoll, vor einer primären Überweisung zum Kardiologen eine Abklärung mittels Spirometrie vorzunehmen beziehungsweise zu veranlassen. Allgemein erscheint es ratsam, jeden COPD-Patienten im Verlauf seiner Erkrankung wenigstens einmal dem Kardiologen vorzustellen. Dies sollte – individuell angemessen – „zeitnah“ veranlasst werden, wenn der spirometrische Befund das Ausmaß der Dyspnoe nicht erklärt, Patienten auf eine Behandlung nicht ausreichend ansprechen, eine fortgeschrittene COPD besteht oder eine hohe Herzfrequenz gemessen wurde.

COPD-Management vom Frühstadium bis zur Exazerbation

Bei Patienten mit einem FEV1 von 50–79% vom Sollwert wird der stärkste FEV1-Verlust beobachtet (3). Zudem zeigt sich, dass bereits in diesem frühen COPD-Stadium die körperliche Aktivität abnimmt und dies Patienten bei ihren Alltagsaktivitäten einschränkt (4, 5). Dabei orientiert sich die Therapiewahl wesentlich an einer möglichen Vorbehandlung der Patienten sowie an der Häufigkeit und Schwere von Exazerbationen und der individuellen Symptomlast (1, 2). Dadurch können Alltagsanforderungen sowie Aspekte der Lebensqualität für die COPD-Therapie berücksichtigt werden. Spirometrische Befunde sind essenziell für den Obstruktionsnachweis und die Schweregradeinteilung, korrelieren jedoch nur geringfügig mit patientenzentrierten Endpunkten, wie Symptomen und Exazerbationen. Die spirometrischen Befunde stehen deshalb nicht im Mittelpunkt einer an die Patientenbedürfnisse angepassten Therapie (6, 7).

Eine Exazerbation ist nach COPD-Leitlinie der DGP definiert als eine akute, über mindestens 2 Tage anhaltende Verschlechterung der respiratorischen Symptome, die mit der Notwendigkeit für eine Anpassung der Therapie einhergeht (2). Dabei kann die korrekte Einschätzung der Häufigkeit von abgelaufenen Exazerbationen allein auf Basis anamnestischer Angaben schwierig sein, weshalb gezielt nachgefragt werden sollte. Ein erhöhtes Risiko für weitere Exazerbationen wird für Patienten angenommen, die mindestens 1 schwere (stationär behandelte) oder mindestens 2 moderate (ambulant mit Antibiotika und/oder systemischen Kortikosteroiden behandelte) Exazerbationen hatten. Diese Patienten werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch im darauffolgenden Jahr eine Exazerbation erleiden (8).

Zur Einschätzung der individuellen Symptomlast sind standardisierte (strukturierte) Patienteninterviews hilfreich. Hier erlaubt etwa die mMRC-(modified-Medical-Research-Council-)Skala die Erfassung der Belastungsdyspnoe als zentrales Symptom einer COPD. Bewährt ist zudem der COPD-Assessment-Test (CAT) als aussagekräftiges und einfach auszuwertendes Instrument, mit dem Patienten die Auswirkungen der COPD auf ihren Alltag und ihre Lebensqualität anhand von 8 Fragen dokumentieren (9). Der Maximalwert im CAT beträgt 40 Punkte; von einer ausgeprägten Symptomatik wird bei einem CAT ≥20 ausgegangen (1).

LAMA und LAMA/LABA: Basis der COPD-Therapie

Als Therapie zur Symptomlinderung oder als Basistherapie zur Vorbeugung von Symptomen werden bronchialerweiternde Medikamente eingesetzt. Zur Dauertherapie sind langwirksame Medikamente (langwirksamer Muscarin-Antagonist oder Anticholinergikum = LAMA; langwirksamer Beta-2-Agonist = LABA) kurzwirksamen vorzuziehen; ausgenommen sind Patienten mit geringer Symptomatik (2). Bronchodilatatoren verringern die Überblähung in Ruhe und bei körperlicher Belastung. Sie können eine Zunahme des FEV1 bewirken und die Belastbarkeit steigern. Placebokontrollierte Studien lassen eine Verlangsamung des FEV1-Abfalls vermuten und zeigen eine signifikante und klinisch relevante Zeitverlängerung bis zur ersten Exazerbation (10). Für eine Monotherapie eignen sich LAMA nach aktueller Datenlage besser als LABA, da bei etwa vergleichbarer Symptomkontrolle eine effektivere Prävention von COPD-Exazerbationen erreicht werden kann (11, 12). Bei nicht vorbehandelten Patienten mit COPD-Muster und ausgeprägter Symptomatik sind LAMA/LABA-Fixkombinationen von Beginn an eine mögliche Option (Grafik 1). Die Substanzen dieser beiden Wirkstoffgruppen ergänzen sich aufgrund ihrer komplementären Wirkmechanismen. Sie können so eine ausgeprägtere Bronchodilatation erzielen (13). In mehreren Studien verbesserten sie im Vergleich zu den entsprechenden Monotherapien die Lungenfunktionsparameter, etwa den FEV1-Wert, signifikant (1417).

Grafik 1

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Eskalation und Deeskalation: differenzierter Einsatz von ICS

Als klinisch hoch relevante Frage wird seit Längerem diskutiert: Welche COPD-Patienten profitieren von der Anwendung eines ICS? Hier hat sich gezeigt, dass als maßgebendes Kriterium zur Therapieplanung – die Häufigkeit von Exazerbationen (Tabelle, mod. nach [18]) – zu ergänzen beziehungsweise zu erweitern ist. Neueren Befunden zufolge ist in diesem Kontext die Zahl der eosinophilen Granulozyten im Blut mitzuberücksichtigen. So haben unter anderem Untersuchungen an großen Kohorten ergeben, dass Eosinophilenwerte ≥300 Zellen/µl Blut einen signifikanten Effekt von ICS auf die Exazerbationsrate erwarten lassen (1). Dagegen ist der Nutzen eines ICS in Bezug auf die Exazerbationsrate bei Patienten mit Eosinophilenwerten in einer Größenordnung ≤100 Zellen/µl Blut gering (1). Für den intermediären Bereich (>100/µl, jedoch <300/µl) sollten Einzelfallentscheidungen unter Würdigung der Exazerbationshistorie getroffen werden. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, Strategien zur Eskalation oder Deeskalation einer COPD-Therapie auch an der im Differenzialblutbild ermittelten Eosinophilenzahl zu orientieren.

Tabelle

Differenzierter Einsatz von ICS bei COPD (mod. nach [18])

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Eskalation: Bei Patienten mit nicht zufriedenstellend kontrollierter COPD-Symptomatik und/oder Exazerbationen ist ein differenziertes Vorgehen wichtig. Eine Anpassung der Behandlung sollte daher einer therapeutischen Zielsetzung folgen und nach Symptom- beziehungsweise Exazerbationskontrolle unterscheiden:

1. Ist unter Monotherapie mit LAMA oder LABA die Symptomkontrolle nicht ausreichend, sollte um das jeweils komplementäre Wirkprinzip ergänzt werden (Grafik 2, Algorithmus B1).

Grafik 2

Algorithmus B1: Therapieeskalation bei Patienten mit unzureichender Symptomkontrolle (CAT = 20)

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2. Bei Patienten mit häufigen Exazerbationen zielt die Addition eines ICS zu entweder LAMA, LABA oder LAMA/LABA auf die Vermeidung weiterer Ereignisse ab (Grafik 2, Algorithmus B2).

Den Hintergrund dafür bilden die negativen Auswirkungen von Exazerbationen auf die Prognose. Sie beschleunigen den Krankheitsverlauf deutlich und erhöhen die Sterblichkeit (19). Auch jede moderate Exazerbation bedeutet eine klinisch relevante Risikoerhöhung (20). Weist ein Patient sowohl eine unzureichende Symptomkontrolle als auch Exazerbationen auf, sollte nach dem Algorithmus B2 verfahren werden. Zur Indikationsstellung für ICS sind die in der Tabelle genannten Kriterien zur Eosinophilenzahl relevant. Danach ist zum Beispiel auch bei Patienten mit häufigen Exazerbationen kein ICS indiziert, wenn eine Eosinophilenzahl ≤100 Zellen/µl Blut gemessen wird.

Deeskalation: Bei COPD-Patienten, die über mindestens 6 Monate stabil sind, das heißt, bei denen sowohl eine zufriedenstellende Symptom- als auch Exazerbationskontrolle gegeben ist, kann eine Deeskalation der Therapie erwogen werden. Da sich COPD-Patienten durch einen Verzicht auf eine gewohnte wirksame Kombination mitunter verunsichert fühlen, sollte eine entsprechende Empfehlung nachvollziehbar begründet und mit dem Patienten als partizipative Entscheidung vereinbart werden.

Wir empfehlen Therapiedeeskalationen in Kooperation mit einem Pneumologen vorzunehmen. Ausnahmen können in eindeutigen Fällen mit sehr niedriger Eosinophilenzahl bestehen. Ausgehend von einer LABA/ICS-Therapie kann neben einer LAMA/LABA-Kombination auf eine Monotherapie mit sowohl einem LAMA als auch einem LABA umgestellt werden. An dieser Stelle wird die LAMA-Monotherapie als die geeignetere Option empfohlen (Grafik 3) (1). Bei der Deeskalation von einer LAMA/LABA/ICS-Therapie auf eine LAMA/LABA-Therapie zeigt sich in entsprechenden Studien eine leichte Verschlechterung des FEV1 (21). Bei der Frage, welchen Einfluss dies auf das Exazerbationsrisiko hat, liefert die Eosinophilenzahl erneut einen wichtigen Anhaltspunkt: Eine Zunahme von Exazerbationen ist primär bei Patienten mit ≥300 Zellen/µl zu befürchten. Bei Eosinophilen ≤100 Zellen/µl Blut wurde dies nicht gesehen (1, 22).

Grafik 3

Algorithmus C: Therapiedeeskalation

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Inhalatorschulung ist von hoher Relavanz

In der COPD-Leitlinie der DGP sowie in klinischen Studien wird die Bedeutung der korrekten Inhalationstechnik für den Behandlungserfolg betont und in diesem Kontext auf die Notwendigkeit eines angemessenen Inhalationstrainings verwiesen (2, 2325). Es hat sich bewährt, den Patienten 14 Tage nach erfolgter Erstschulung erneut einzubestellen, um den korrekten Gebrauch des Inhalators sicherzustellen. Im Verlauf ist die (wiederholte) Kontrolle der Inhalationstechnik, zum Beispiel einmal im Quartal, wichtig, da ein relevanter Anteil der Patienten selbst bei gründlicher Schulung erneut Anwendungsfehler macht (26).

Dies begründet die Empfehlung, bei Eskalation beziehungsweise Deeskalation einer Therapie das Inhalationssystem möglichst nicht zu wechseln, wenn Patienten zuvor darauf trainiert wurden und sie dessen korrekte Anwendung beherrschen.

Aufgrund der hohen Bedeutung der Inhalatorschulung in der Praxis kann abgewogen werden, ob der Arzt darin eigene Zeitressourcen investiert oder ob es sinnvoll ist, die Schulungen an einen dafür geschulten nicht-ärztlichen Mitarbeiter zu delegieren. Unabhängig vom individuell passenden Weg zeigt die Erfahrung, dass sich bei der Erstschulung (mehr) eingesetztes Zeitinvestment im Verlauf insgesamt auszahlt. Unterstützen können hier Abgabematerialien, zum Beispiel Broschüren oder Videos. Über die Atemwegsliga ist beispielsweise eine Schulungsübersicht zu den verfügbaren Inhalationssystemen erhältlich. Zusätzlich können Demo-Inhalatoren, wenn sie in der Praxis vorhanden sind, zu Schulungszwecken genutzt werden.

Körperliche Aktivität und Rehabilitation

Patienten mit COPD leiden unter Atemnot, die bei körperlicher Belastung zunimmt. Sie neigen deshalb dazu, körperliche Anstrengung zu vermeiden (27, 28). Gerade dieses Verhalten führt jedoch in eine Abwärtsspirale, die mit einer erheblichen körperlichen Schwächung und negativen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Erkrankten einhergeht (27, 28). Die multimodale Rehabilitation ist eine evidenzbasierte Behandlungsstrategie, die diesem Trend entgegenwirkt. Rehabilitationsmaßnahmen führen zu einer Verbesserung der Atemnot und des Gesundheitszustands (1, 29). Vor diesem Hintergrund empfiehlt die COPD-Leitlinie der DGP ein regelmäßiges körperliches Training in einer Frequenz von 1-mal pro Woche bis täglich, in einer Dauer von 10–90 Minuten pro Sitzung und in einer Intensität von 50% bis zur maximal tolerierten Sauerstoffaufnahme (2). Ebenso sieht das Disease-Management-Programm COPD ein 1- bis 2-mal wöchentliches körperliches Training vor (30).

Verordnungsfähigkeit von Lungensport und Physiotherapie

Für die Rekonditionierung von COPD-Patienten sind Rehabilitationssport (Lungensport) sowie die Heilmittelleistungen der Physiotherapie, wie Atemtherapie (KG AT) und Krankengymnastik am Gerät (KGG), verordnungsfähig (31). Da sich die Trainingsangebote ergänzen können, wird insbesondere bei der Erstverordnung ein simultanes Vorgehen empfohlen. Bei Folgeverordnungen ist es sinnvoll, diese vorweg mit dem Patienten und Behandler abzustimmen. Ein Training ist für alle Patienten sinnvoll, die unter Belastungsdyspnoe leiden, spätestens jedoch unmittelbar nach abgelaufener Exazerbation (32). Bei Patienten, die sehr schwer limitiert und in ihrer Mobilität stark eingeschränkt sind, kommt primär eine stationäre Rehabilitation infrage. Wesentlich ist die Fortsetzung der Trainingstherapie nach Beendigung intensiver stationärer Rehabilitationsprogramme im ambulanten Bereich durch Heilmittelleistungen und Rehabilitationssport. Dabei wirken positive Erfahrungen in einer Gruppe neben den Erfolgen im Verlauf der Therapie oftmals stark motivierend.

Die Heilmittel KG AT und KGG können unabhängig vom Schweregrad der COPD über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. Bei einem FEV1-Wert <35% vom Soll wird Atemtherapie gemäß Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses grundsätzlich als langfristiger Heilmittelbedarf budgetneutral anerkannt (33). Für die Krankengymnastik am Gerät kann langfristiger Heilmittelbedarf beantragt werden.

Fazit

  • Die vorliegende Praxisempfehlung greift die Neuerungen der COPD-Leitlinie der DGP von 2018 und der GOLD-Empfehlung von 2019 auf und bietet einen konsentierten, sehr praxisorientierten Vorschlag zum COPD-Management in der Hausarztpraxis.
  • Vorgestellt werden einfache Algorithmen zu Eskalation und Deeskalation, die in der Praxis bei unterschiedlich vorbehandelten Patienten Empfehlungen zum therapeutischen Vorgehen geben.
  • Neben der Differenzialdiagnose und Anamnese spielen die Verfahren zur diagnostischen Absicherung mittels Lungenfunktionstests und Überweisungen an Facharztgruppen eine wichtige Rolle und sollten frühzeitig erwogen werden.
  • Relevant für den Einsatz von inhalativen Steroiden (ICS) sind Exazerbationen und Blut-Eosinophile. Grundsätzlich gilt: Bei ≥300 Zellen/µl wird ein ICS empfohlen, bei ≤100 Zellen/µl vom Einsatz von ICS abgeraten.
  • Neben den medikamentösen Maßnahmen sind regelmäßige Inhalatorschulungen und die Steigerung der körperlichen Aktivität essenziell. Letzteres kann mittels unterschiedlicher Angebote im Rahmen des Rehabilitationssports und der Heilmittelbehandlung initiiert werden.

DOI: 10.3238/PersPneumo.2019.02.15.006

Prof. Dr. med. Marco Idzko

Leiter der klinischen Abteilung
für Pulmologie der Medizinischen Universität Wien

Dr. med. Monika Merkle

Niedergelassene Lungenfachärztin, Wien

Dr. med. Petra Sandow

Niedergelassene Allgemeinmedizinerin, Berlin

Dr. rer. medic. Sebastian Teschler

Physio- und Atmungstherapeut,
Geschäftsführer Reha Vital GmbH, Essen

Dr. med. Volker Töpfer

Niedergelassener Pneumologe, Ulm

Dr. med. Thomas Voshaar

Direktor des Lungenzentrums,
Stiftung Krankenhaus Bethanien, Moers

Prof. Dr. med. Claus Franz Vogelmeier

Leitung Klinik für Innere Medizin
Schwerpunkt Pneumologie im Universitätsklinikum Marburg

Interessenkonflikt: Prof. Idzko erhielt Berater- und Vortragshonorare von den Firmen AstraZeneca, Berlin-Chemie, Boehringer-Ingelheim, Chiesi, Grifols, GSK, Novartis, Sanofi und TEVA sowie Reisekosten- und Kongressgebührenerstattungen von AstraZeneca, Berlin-Chemie und Boehringer-Ingelheim. Dr. Merkle erhielt Beraterhonorare von Boehringer-Ingelheim, Chiesi, Novartis und GSK, Vortragshonorare von Boehringer-Ingelheim und Novartis sowie Kongressgebühren- und Reisekostenerstattungen von Boehringer-Ingelheim, Chiesi, Novartis, Menarini, Astra Zeneca und Ratiopharm. Dr. Sandow erhielt Beraterhonorare sowie Kongressgebührenerstattungen von Berlin-Chemie. Dr. Teschler erhielt Beraterhonorare von Berlin-Chemie, Roche, Novartis und Boehringer-Ingelheim, Vortragshonorare und Reisekostenerstattungen von Berlin-Chemie, Novartis und Roche sowie Kongressgebührenerstattungen von Novartis. Dr. Töpfer erhielt Beraterhonorare von GSK und Chiesi sowie Gelder für klinische Studien von GSK. Dr. Voshaar erhielt Beraterhonorare von Boehringer-Ingelheim und Chiesi sowie Vortragshonorare, Reisekosten- und Kongressgebührenerstattungen von Boehringer-Ingelheim, Chiesi, Berlin-Chemie und Novartis. Prof. Vogelmeier erhielt Berater- und Vortragshonorare von Boehringer-Ingelheim, CSL Behring, Chiesi, GSK, Grifols, Berlin-Chemie und Novartis sowie Gelder für Forschung und klinische Studien von Boehringer-Ingelheim, GSK, Grifols und Novartis.


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www.aerzteblatt.de/lit0719

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Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease: Global strategy for the diagnosis, management and prevention of chronic obstructive pulmonary disease (2019 Report). https://goldcopd.org/wp-content/uploads/2018/11/GOLD-2019-v1.7-FINAL-14Nov2018-WMS.pdf (last accessed on 21 January 2019).

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